Manchmal...

Manchmal möchte ich schreiben. Und manchmal hätte ich gerne Kontakt zu Gleichgesinnten. Menschen die mit den selben Problemen wie ich sie  habe kämpfen. Eine virtuelle Freundin (vielleicht irgendwann mehr... :) habe ich schon gefunden. Sie ist ein wunderbarer Mensch und ich finde es immer wieder erstaunlich wie ähnlich unsere Gefühle sind. Oh und wie gut das tut! Zu lesen, dass man nicht alleine ist. Dass es auch Andere gibt, denen es gleich geht. Dass nicht alles an einem selbst liegt.

Nicht alle Fehler meiner Welt liegen auf meinen Schultern. Wie sehr ich doch mit Schuldgefühlen kämpfe... Wie hart ich daran arbeite, dass ich mich nicht ständig schuldig fühlen muss.

 

Ich bin okay. Ein guter Mensch. Ein Mensch der nicht nur das Recht zu leben hat, sondern auch ein Recht dieses Leben wahrhaftig leben zu dürfen. Nach all meinen Erfahrungen, nicht erwünscht zu sein. Nicht gut genug zu sein, von den eigenen leiblichen Eltern fast tot geschlagen zu werden,.... einem 4 jährigen kleinen Mädchen wird somit das Gefühl auf ein Lebensrecht heraus geprügelt. Und zieht sich dieses "nicht gut genug Gefühl" durchs ganze restliche Leben, ist es schwer,  sehr schwer von diesem erlernten Muster loszukommen.

 

Ich werde heuer 37 Jahre alt. Mit Anfang zwanzig begann ich mit meiner ersten Therapie. Trotz meiner ständigen Beschäftigung mit meinen Problemen, fing ich erst letztes Jahr (2016) damit an, all meine erlernten Muster zu begreifen. Es war ein Jahr körperlicher Schmerzen, Einsamkeit, Schockmomenten....

Ich fühlte mich zweitweise komplett verloren...

Es musste sein, und ich bin mittlerweile tatsächlich froh darum. Denn nur auf diese Weise war es mir möglich, die Augen aufmachen zu können. Ab Besten könnte ich es mit einer schmerzhaften Geburt samt heftigem Dammriss vergleichen. Zuerst ist alles fest zu, damit das Baby nicht zu früh raus kann.

Als ob es im Inneren auch noch Wächter gebe, die alles zukleben. Es zumindest versuchen. Und dennoch überschattet es dein gänzliches Leben. Du hörst ein Geräusch, es muss bei mir nicht mal laut sein, nur eben unbekannt, nicht zuordenbar, und sofort spüre ich ein innerliches Zusammen zucken, einen Angstmoment, als ob in diesem Moment ein riesiger Säbelzahntiger mit weit aufgerissenem Maul auf dich zuspringen.

Die Wächter im Inneren, das habe ich gelernt im letzten Jahr, wollen dich beschützen. Man darf es ihnen nicht übel nehmen. Sie wollen dich nicht weiter rein schauen lassen, weil sie es in den Momenten wo dein Trauma, in meinem Fall Traumata, genau so machen mussten. Wie soll ein zweijähriges Kind einen Missbrauch verstehen? Wie soll ein vierjähriges Kind begreifen, warum es immer mehr und mehr verprügelt wird, bis es im Krankenhaus landet? Wie soll ein Kind damit umgehen, dass es mutterseelenallein im Krankenhaus liegt, weil die Eltern nicht mehr zu ihm dürfen? Wie soll ein Kind das seelisch überleben, nach all dem in einem Kinderheim zu landen, in welchem seine Sprache nicht gesprochen wird?

Das kann es eben nicht. Es gibt für Momente, in denen ein Mensch (auch Erwachsene können natürlich Traumas haben) es seelisch nicht mehr tragen kann. Dann überlebt man, indem diese Wächter in einem auftauchen. Zuerst dissoziierst du. Dann kleistern sie zu, immer und immer wieder. Aber wie gesagt gänzlich geht es nicht, und so überschattet es dein restliches Leben. Während dem Trauma und eine Zeitlang danach, war es nötig, das Unbeschreibliche überdecken zu müssen. Es diente perfekt dem Überleben.

Aber Überleben bedeutet nicht leben. Und genau da fängt die Posttraumatische Belastungsstörung an.

All die erlernten Muster, wie lieber still zu sein anstatt sich zu wehren (man könnte ja daran sterben bzw. körperlichen großen Schaden nehmen), bei lauten bzw. unbekannten Geräuschen zusammen zu zucken, sich selbst an allem die Schuld zu geben,... und vieles, vieles mehr,... diente damals dem Überleben, war unbedingt notwendig. Dieser Kontrollverlust dabei ist nämlich für den Mensch unerträglich. Gibt man sich an allem selbst die Schuld, dann hätte man ja die Kontrolle gehabt. So schwer Schuldgefühle zu tragen sind, so unglaublich schwerer ist es sich selbst zu sagen: ich hatte keine Kontrolle. Ich war dem /den Täter(n) hilflos ausgeliefert. An einen Punkt zu kommen, wo man sich selbst beweinen und betrauern kann, ist schrecklich schmerzhaft, es ist mir selbst fast unbegreiflich. Meine Kindheitstraumas kann ich heute noch nicht beweinen. Ich arbeite daran,...

Meine Therapeutin sagte mir etwas, was es mir noch besser verdeutlichen konnte: "Das kleine Mädchen in ihnen, welches damals überleben musste, weiß nicht, dass es keine Angst mehr haben muss. Sie lebt immer noch in diesen Traumata. Sie hat keine Ahnung davon, was sie trotz allem schon geschafft und geleistet haben, dass sie im Grunde stark sind, eine Kämpfernatur. Jeder Mensch hat viele Anteile in sich. Wenn nun jemand ein Trauma erlebt, bleibt ein Anteil tief drinnen stehen, es ist unfähig sich weiter zu entwickeln. All ihre Kinder in ihnen, leben immer noch in Angst, im Überlebensmodus. Das muss langsam und schonend diesen Kindern erklärt und beigebracht werden, dass sie keine Angst mehr haben müssen, dass sie in Sicherheit sind."

 

Ja, diese Psychologik, kann einen ganz schon wirr machen. :)

Jeder Schritt dort hinaus in die seelische Freiheit ist schmerzhaft und schwer. Aber der Gewinn am Ende ist es allemal wert. Ich selbst habe auch noch einen langen Weg vor mir. Aber ich sehe es wie die Geburten meiner kleinen Wunder. Schmerzhaft, mit Momenten wo man denkt: SO. ICH KANN NICHT MEHR.

Aber wisst ihr, was jede Hebamme einer werdenden Mutter sagen wird? Es ist gleich vorbei. Atmen sie,.. versuchen sie weiter zu atmen. Wenn sie denken sie können nicht mehr, ist es gut wie vorbei. 

Und dann, nicht viel später legen sie einem dieses winzige Menschlein in deine Arme. In diesem Moment weiß man, es hat sich gelohnt. Jeder einzelne Moment des Schmerzes hat sich mehr als nur gelohnt.

 

Die Erfahrung die ich bisher gemacht habe ist, dass die Geburt der psychischen Freiheit wesentlich länger dauert und auf seine Art und Weise sogar schmerzhafter.

Ich hatte schon so viele Momente in meinem Leben wo ich mir verzweifelt dachte: ich kann nicht mehr. Es geht einfach nicht mehr. Ich lege mich jetzt ins Bett schlafen und stehe einfach nie wieder auf. Kein Essen, kein Trinken. Einfach nie und niemals wieder aufstehen.

Kennt ihr die 3er Regel? 3 min ohne Sauerstoff: Tod. 3 Tage kein Wasser: Tod. 30 Tage kein Essen: Tod

Ja, in diesen Momenten stelle ich mir das einfach vor. In einigen Tagen würde ich einfach weg geschlafen sein. Aber so einfach ist es natürlich nicht. Der Durst lässt einen nicht mehr schlafen. Und richtiger Durst, wird auch irgendwann zu einem Schmerz.

Das ist gut so! Der Körper gibt Gott sei Dank wesentlich langsamer auf, als die Seele. Dein Körper meldet sich und schreit förmlich irgendwann nach Wasser. Er kämpft gegen dich an, und brüllt dir entgegen: ICH WILL LEBEN!

Solange man das noch in sich trägt, gibt es Hoffnung. Dieser Rest Lebenswille ist sehr wichtig, um da durch zu kommen.

Zurück zu den Momenten: ich kann nicht mehr. Wo bleibt das Baby der Freiheit, wann wird es endlich geboren?

Mittlerweile verstehe ich es so, dass man hier nicht nur ein Baby austrägt und auf die Welt bringen muss.

Denn jedes Mal, wenn man nach dem Gefühl "ich kann nicht mehr" wieder weiterläuft, auf welche Art auch immer, ist man wieder ein Stück mutig gewesen. Man hat ein kleines Mutbaby zur Welt gebracht.

Ich lese derzeit in dem Buch von Luise Reddemann: Eine Reise von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.

Dieses Buch kann ich nur wärmstens empfehlen! Nach so vielen Jahren Erfahrung mit Selbsthilfebüchern, hat mir noch nie eines so gefallen wie dieses.

In jedem Buch hat man so das Gefühl von: DAS ist jetzt der richtige Weg. So schaff ich das.

In keinem anderen Buch, das ich je las, wird dermaßen offen in jegliche Richtungen geschrieben. Sie gibt ganz viele Tipps und Möglichkeiten zum Ausprobieren. Da ist glaube ich, für fast jeden etwas dabei um sich selbst helfen zu lernen.

Unter anderem gibt sie auch den Tipp, aufzuschreiben wann man im Leben schon mal mutig war. Auch die ganz kleinen Dinge. Sie schreibt, man merkt oft nicht wie mutig man gerade war. Dieses Aufmerksam machen ist sehr wichtig! Lest das Buch, wenn euch die Ansätze von denen ich ein wenig berichten werde interessieren. Sie kann das natürlich wesentlich besser beschreiben wie ich. Sie hat es schließlich auch studiert und jahrelang schon praktisch angewandt an ihren Patienten.

Als ich letztes Jahr dachte meine Welt ist am zusammen brechen, trug ich mein erstes kleines Freiheitsbaby aus. Es war eine sehr lange, und schrecklich schmerzhafte Geburt. Aber ich habe es überlebt, und jetzt ist in mir das erste Stückchen Freiheit. Alleine dadurch, dass ich es jetzt verstehe, wahrhaftig begreife was ich all die Jahre durch in meinem Leben immer und immer wieder gelebt habe. Somit konnte ich ein Teil meiner erlernten Muster, nach so langer Zeit aufsprengen.

 

Vergesst also nicht: Ihr tragt einige kleine Mutbabys in euch. Erinnert euch, schreibt es auf, und seit stolz auf euch. Für Menschen wie wir können schon stolz sein, wenn sie noch "normal" funktionieren.

Darauf gehe ich aber später noch näher ein.

 

Jetzt werde ich mit meinen Mädchen in den Wald gehen. Das habe ich schon lange nicht mehr geschafft.

Dafür möchte ich meiner virtuellen Freundin, und auch Smart Living danken.

Solche kleinen Hinweise, gesehen/gelesen und verstanden zu werden, motivieren ungemein!

 

Es grüßt euch von Herzen,

Smart Craving

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